Schon vor mehr als drei Jahren gab es die ersten konkreten Pläne. Inzwischen liegt dem Bundestag ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor. Das Betreiben sogenannter krimineller Handelsplattformen im Internet und die Bereitstellung entsprechender Server-Infrastruktur soll unter Strafe gestellt werden. Auf den ersten Blick klingt das gut und richtig. Auf den zweiten Blick drängt sich dagegen die Frage auf, ob es überhaupt eine Strafbarkeitslücke gibt, die geschlossen werden muss. Ob der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode das Gesetz verabschiedet, bleibt ungewiss. Die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers, Straftaten im Internet zu bekämpfen, wird davon jedoch unberührt bleiben.
Der Hintergrund: Zunehmende Verlagerung von Straftaten in das Internet
Der Handel mit Drogen, Waffen oder kinderpornografischen Schriften wird immer mehr von „der Straße“ ins Digitale verlagert. Der Vorteil liegt auf der Hand. Statt sich stundenlang mit gefüllten Taschen auf öffentlichem Terrain aufhalten zu müssen, können bequem vom heimischen Wohnzimmer aus große Mengen anonym bezogen und verkauft werden, ohne die Waren überhaupt jemals in den eigenen Händen gehalten zu haben. Wie der Lagebericht des Bundeskriminalamtes zur Cyberkriminalität 2020 zeigt, steigt die Anzahl an Ermittlungsmaßnahmen aufgrund von Straftaten im Internet. Die entsprechenden Konsequenzen – man denke an Wohnungsdurchsuchungen oder Untersuchungshaft – sind dann allerdings rein im echten Leben zu spüren.
Dabei hat sich neben den allgemein zugänglichen Bereichen des Internets (Clearnet) ein Darknet entwickelt, also ein abgeschlossener Bereich, der sich vor allem durch die Anonymität seiner Nutzer auszeichnet und für den Austausch illegaler Waren prädestiniert ist. Der Betrieb solcher Handelsplattformen, sowohl im Clear- als auch im Darknet, soll nunmehr endgültig unter Strafe gestellt werden, nachdem schon im Jahr 2019 durch das Land Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Gesetzesvorhaben initiiert wurde. Anlass der gesetzgeberischen Aktivitäten war wohl auch der Amoklauf in München vom 22.06.2016. Der Täter hatte seine Waffe über das Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ bezogen.
Grundlagen: Der wesentliche Inhalt des Gesetzesentwurfes
Mit einem neuen § 127 StGB (der bisherige § 127 StGB – Bildung bewaffneter Gruppen – rutscht um eine Nummer nach hinten) soll nun eine Strafbarkeit für Betreiber von Handelsplattformen im Internet geschaffen werden, wenn deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Rechtswidrig sollen dabei nicht alle Straftaten des Strafgesetzbuches, sondern nur bestimmte, in der Vorschrift aufgelistete Taten sein. Hierzu gehören neben Verbrechen etwa bestimmte Vergehen nach dem Betäubungsmittel- oder Waffengesetz. Anders als in ursprünglichen Entwürfen vorgesehen, beschränkt sich die Strafbarkeit dabei nicht nur auf Handelsplattformen, die ausschließlich über das Darknet erreicht werden können, sondern nennt ausdrücklich auch solche, die frei zugänglich sind (vgl. § 127 Abs. 2 StGB-E). Die Handelsplattform muss dabei weder kommerziell betrieben werden, noch browserbasiert sein. Auch Chatgruppen, wie es sie bei WhatsApp oder Telegram gibt, können von der Vorschrift umfasst sein. Die möglichen Strafen fallen empfindlich aus. Werden bewusst Verbrechen ermöglicht oder gefördert, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren im Raum stehen. Bei entsprechendem Verdachtsmoment sollen den Strafverfolgungsbehörden umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen, wie Telekommunikationsüberwachung oder Onlinedurchsuchungen zur Verfügung stehen.
Kritische Stimmen: Notwendigkeit der Neuregelung?
Dem Gesetzesentwurf schlägt vor allem deshalb Wind entgegen, weil die Ermöglichung und Förderung von Straftaten ohnehin strafbar sind. Wer jemanden dabei hilft, Drogen über das Internet zu verkaufen macht sich wegen Beihilfe zum Drogenhandel strafbar. Eine Strafbarkeitslücke ist allenfalls in den Konstellationen denkbar, in denen der Vermittler nicht weiß, wofür die Gegenstände genutzt werden sollen oder was überhaupt über die Plattform verkauft wird. Wer also (ggf. über die Website automatisiert) den Verkauf einer Waffe ermögliche, ohne Kenntnis zu haben, was hiermit passieren soll, kann sich nicht wegen Beihilfe zum Mord strafbar machen, wenn anschließend ein solcher mit dieser Waffe begangen wird.
Der Plan A im Cyberstrafrecht: Die eigene Handelsplattform im Blick behalten
Für Unternehmen und Privatpersonen, die Handelsplattformen im Internet betreiben, besteht zunehmend ein Sanktionsrisiko. Zwar verlangt § 127 Abs. 1 StGB-E, dass der Zweck der Plattform auf die Ermöglichung bzw. Förderung von rechtswidrigen Taten ausgerichtet sein muss. Wird die eigene Plattform im Einzelfall missbraucht, um illegale Waren zu verkaufen, dürfte dies daher keine Bauchschmerzen bereiten. Passiert es allerdings häufiger, kann der Verdacht einer bezweckten Unterstützung rechtswidriger Taten schnell aufkommen. Um dies zu vermeiden, sollten die Aktivitäten auf der eigenen Plattform beobachtet werden. Angebote mit strafbarem Inhalt sollten umgehend gelöscht und der Ausschluss des betroffenen Nutzers geprüft werden.
Plan A – Kanzlei für Strafrecht berät und begleitet Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Risiken durch die aktuelle Entwicklung im Cyberstrafrecht. Als Ombudsstelle unterstützen wir unsere Mandanten zudem dabei, bereits vorhandene Strafbarkeitsrisiken aufzudecken und mögliche Fallstricke zu verhindern. Wir sind für Sie da, #wennmalwasist.
Autoren:
- Rechtsanwalt Dr. Joshua Christmann
- Rechtsanwalt Leo Nievelstein
Dr. Joshua Christmann
Rechtsanwalt / Associate
Plan A – Kanzlei für Strafrecht
Leo Nievelstein
Rechtsanwalt / Associate
Plan A – Kanzlei für Strafrecht