Auch nach gut eineinhalb Jahren beherrscht die Coronapandemie immer noch unser Leben. Inzwischen gibt es ausreichend Impfstoff für jeden. Trotz hoher Inzidenzen geht das öffentliche Leben dank 3 G aktiver voran als noch im Frühjahr 2020. Die Wirtschaft scheint sich langsam auf die Veränderungen eingestellt zu haben und erholt sich. Kein Aufatmen gibt es dagegen bei zahlreichen Betroffenen, die sich Ermittlungsverfahren, die im Zusammenhang mit vermeintlichen Straftaten stehen, ausgesetzt sehen und die einen Bezug zu staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemiefolgen aufweisen. Allein in Nordrhein-Westfalen und nur wegen des Vorwurfes des Subventionsbetruges im Rahmen von beantragten Corona-Soforthilfen wurden bis Mai 2021 mehr als 7.200 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei dieser Zahl dürfte es sich erst um den Anfang handeln, zudem rücken weitere Delikte in den Fokus der Ermittlungsbehörden.
Verschiedene Tatvorwürfe: Um welche Delikte geht es?
Corona und Strafrecht ist ein weites Feld. Neben Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz und die Coronaschutzverordnungen der einzelnen Länder, die überwiegend als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, beschäftigt die Strafjustiz derzeit vor allem drei Bereiche.
Die Beantragung einer Corona-Soforthilfe kann einen Subventionsbetrug nach § 264 StGB darstellen, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen bei der Beantragung nicht vorgelegen haben und der Betroffene dies jedenfalls leichtfertig nicht erkannt hat.
Werden sonstige Sozialleistungen, wie Kurzarbeitergeld, beantragt, ist die Einordnung schwieriger. Teilweise werden solche Leistungen nicht als Subventionen eingeordnet, sondern als (klassische) Sozialleistungen. Wird ein vorrangiger Subventionsbetrug abgelehnt und liegt eine Täuschung über die Anspruchsvoraussetzungen vor, kann dies den Vorwurf des Betruges nach § 263 StGB begründen. Die unterschiedliche Einordnung ist dabei nicht nur theoretischer Natur, da die einzelnen Voraussetzungen der Straftatbestände mitunter erheblich voneinander abweichen.
Eine falsche Abrechnung durch Coronatestzentren stellt dagegen einen „klassischen“ Betrug dar. Hierbei sollen die Betreiber von Testzentren mehr Tests abgerechnet haben, als es tatsächlich gegeben haben soll. Auch diese Vorwürfe sind umfangreich. Nach Angaben des Ärzteblatt laufen bundesweit mindestens 94 Ermittlungsverfahren gegen Betreiber von Testzentren, wobei tatsächlich noch mit einer deutlich höheren Anzahl gerechnet werden muss.
Richtiges Verhalten im Ermittlungsverfahren: Wie können sich die Betroffenen verteidigen?
Die Coronapandemie hat uns alle vor neue Herausforderungen gestellt. Dass der Staat es nicht akzeptieren kann, wenn einzelne eine solche Notlage bewusst ausnutzen, um sich zu bereichern, ist wenig überraschend und nachvollziehbar. Ein Großteil der Verfahren dürfte sich jedoch zumindest im Graubereich abspielen. Die Sach- und Rechtslage war gerade zu Beginn der Pandemie unübersichtlich, die Ereignisse und Informationen überschlugen sich. Einzelpersonen und Unternehmen mussten schnelle Entscheidungen treffen und in eigener Verantwortung zum Teil rechtlich komplexe Sachverhalte einordnen. Sollte es in diesem Zusammenhang zu Unsauberkeiten gekommen sein, ist dieser Umstand allein nicht geeignet, eine Straftat darzustellen. Auch bei Masseverfahren gilt, dass eine Straftat im Einzelfall nachgewiesen werden muss, sei der Sachverhalt noch so typisch. Hierzu gehört auch das Vorliegen der subjektive Tatbestandsseite, also jedenfalls die Vorstellung des Betroffenen, das strafbare Verhalten zu begehen.
Die Betroffen von Ermittlungsverfahren, die im Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen, sind also gut beraten, nicht vorschnell kampflos aufzugeben, sondern die Substanz der Vorwürfe überprüfen zu lassen.
Richtiges Verhalten im Vorfeld: Internal Investigation und „Selbstanzeige“
Aus Sicht der Betroffenen ist ein proaktives Handeln strategisch von Vorteil. Sollte es zu strafrechtlich relevantem Verhalten gekommen sein, ist ein Wissensvorsprung oft viel wert. Bestehen Bedenken an der Rechtmäßigkeit von beantragten staatlichen Leistungen stellt sich die Frage, wie hier vorzugehen ist. Dabei kann es sinnvoll sein, durch interne Untersuchungen abzuklären, ob Straftaten begangen wurden und ob damit zu rechnen ist, dass diese durch Ermittlungsbehörden aufgedeckt werden. Hierzu könnten Unterlagen im Unternehmen gesichtet und ausgewertet und Gespräche mit Mitarbeitern geführt werden.
Auch wenn sich aus gutem Grund niemand selbst belasten muss, kann im Einzelfall eine Kooperation mit den Behörden sinnvoll sein. Anders als etwa im Steuer- oder Kartellrecht gibt es eine allgemeine Selbstanzeige, mit der Folge der Amnestie, nicht. Eine Offenlegung des Sachverhaltes verbunden mit einer Rückerstattung zu Unrecht erhaltener Leistungen stellen jedoch starke Argumente dar, die für eine Einstellung des Verfahrens sprechen. Entfällt das Damoklesschwert eines (drohenden) Ermittlungsverfahrens, ist der Blick nach vorne wieder unversperrt.
Der Plan A im Wirtschaftsstrafrecht: Verstöße verhindern und spezifische Lösungen entwickeln
Plan A – Kanzlei für Strafrecht unterstützt Sie oder Ihr Unternehmen gerne im Hinblick auf mögliche Ermittlungsverfahren, auch mit Bezug auf Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der Coronapandemie auf Sie zugekommen sind. In diesem und in allen anderen Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts sind wir immer für Sie da, #wennmalwasist.
Autor:
- Rechtsanwalt Dr. Joshua Christmann
Dr. Joshua Christmann
Rechtsanwalt / Associate
Plan A – Kanzlei für Strafrecht