Der Kampf gegen das sog. Corona-Virus, COVID-19, sorgt für immer weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Auch ohne martialische Formulierungen wie die des französischen Präsidenten Macron, „im Krieg“ gegen das Virus zu stehen, werden Ausmaß und Dimension der Pandemie den Menschen hierzulande zunehmend bewusst. Kein Zweifel: Der Kampf gegen das Virus geht uns alle an. Fraglich ist aber, ob auch alle alles zu dulden haben.
Als Kanzlei für Strafrecht erreichen uns in diesen Tagen viele Anfragen von Unternehmern und Bürgern, wie sie sich zu verhalten haben und welche weiteren Folgen drohen, wenn die vielfach diskutierte Ausgangssperre kommt. Zu den wichtigsten und häufigsten Nachfragen geben wir nachstehend einen Überblick:
Szenario Ausgangssperre: Was bedeutet das für mich?
- Rechtliche Grundlage: Die Ausgangssperre steht in keinem deutschen Gesetzestext. Weder das Grundgesetz noch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) kennen die Maßnahme als solche. In § 28 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG heißt es allerdings zusammengefasst:
Die zuständige Behörde kann Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt.
Das dürfte für das Verhängen einer örtlich und zeitlich eng begrenzten Ausgangssperre ausreichen. Für weitreichendere Maßnahmen werden die Katastrophenschutzgesetze der Bundesländer einschlägig sein. Allerdings wird auch diskutiert, ob nicht ein gänzlich neues Gesetz notwendig wäre.
- Wer kann eine Ausgangssperre erlassen: Entscheidungszuständig sind die Landesbehörden. Der Bund kann über die beim RKI zusammenlaufenden Informationen das Geschehen koordinieren und darüber mit den Ländern beraten.
- Welche Ausnahmefälle sind möglich: Die Ausnahmen sind nicht gesetzlich definiert. Bislang anerkannt sind in anderen Ländern: Arztbesuche, Einkäufe, Tankstellen- und Bankbesuche. Die Fahrt zur Arbeit ist zulässig, insofern HomeOffice nicht möglich ist. Auf Arbeitgeber können hier aber besondere Begründungsbedingungen zukommen. Die genauen Bestimmungen müssen dem jeweiligen Beschluss der Verwaltung entnommen werden.
- Welche Konsequenzen drohen im Fall eines Verstoßes: Es drohen Strafen für jene, die sich nicht an die Vorgaben der Behörden halten. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG kann eine Zuwiderhandlung gegen die Ausgangssperre mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. In Italien fallen derzeit täglich mehrere tausend Ermittlungsverfahren an.
- Welche Konsequenzen drohen bei wiederholten Verstößen: Die im IfSG angekündigten Strafen wollen dazu beitragen, Menschen zu schützen. Sie wollen Prävention durch Abschreckung erreichen. Das Ziel ist „Gesundheits-Compliance“ der gesamten Bevölkerung. Wer allerdings nachhaltig gegen die Ausgangssperre verstößt, muss im Zweifel tatsächlich mit einer Freiheitsstrafe rechnen.
- Wie hoch können Geldstrafen ausfallen: Einen festgelegten Katalog für Geldstrafen gibt es bisher nicht. Orientierung bieten Italien (bis 206 Euro), Frankreich (zwischen 38 und 135 Euro), Belgien (zwischen 26 und 500 Euro) und Österreich (bis 3.600 Euro). In Österreich sind die hohen Zahlungen jedoch nur dann fällig, wenn Platzverbote, wie beispielsweise für Spielplätze, missachtet werden.
- Was ist mit Haustieren und Pferden: Viele Menschen sorgen sich darum, wie sie mit geliebten Vierbeinern umgehen können und müssen. In Ländern, die bereits eine Ausgangssperre haben, bleiben Handlungen zur Versorgung von Tieren bislang erlaubt. Das umfasst das klassische „Gassigehen“ genauso wie Fahrten zum Pferd. Um Auseinandersetzungen mit den Behörden zuvorzukommen, empfiehlt es sich, einen Nachweis mitzuführen, dass man sich tatsächlich auf dem Weg zum Stall befindet. Ein Foto von Reiter, Pferd und Stall kann hier genügen.
- Darf man bei einer Ausgangssperre Leute festnehmen, die anlasslos herumlaufen oder sich zu Corona-Partys versammeln: Die Strafprozessordnung kennt zwar ein „Jedermannsfestnahmerecht“. Danach darf man jemanden festsetzen, wenn er eine Straftat begeht. Das gilt auch für Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz. Allerdings ist eine Festnahme ohne körperliche Nähe kaum vorstellbar. Auch der Festhaltende verstieße jedenfalls gegen das Gebot des Abstandhaltens. Die Verfolgung von Corona-Straftaten sollte daher allein der Polizei vorbehalten bleiben.
Abschließend: Wozu die Ausgangssperre dient – und wann sie enden sollte
Der gemeinsame Kampf gegen das Corona-Virus verlangt allen viel ab. Die Einschnitte in unser tägliches Leben, in unsere Freiheiten und Rechte sind enorm. Diese Maßnahmen zu akzeptieren ist richtig und wichtig. Solange wir nicht in der Lage sind, die Krise mit entspannter Vernunft anzugehen und durch Distanz und Vorsicht zu einer Verlangsamung der Ansteckungswelle beizutragen, scheint die teilweise jetzt schon verhängte Ausgangssperre alternativlos. Ebenso alternativlos ist es, sie immer wieder kritisch zu hinterfragen.
Die Anwälte und das Team von Plan A kämpfen jeden Tag um die Freiheit ihrer Mandanten. Für uns ist es alles andere als selbstverständlich, die harten Einschränkungen hinzunehmen, die diese Krise mit sich bringt. Sie sind jetzt richtig. Sobald die Krise überwunden ist, gilt es allerdings, unmittelbar wieder zu den Grundlagen des freiheitlichen Systems zurückzukehren, das wir schätzen, achten – und verteidigen.
Wir werden die Corona-Krise gemeinsam überwinden. Währenddessen und vor allem auch danach stehen wir Ihnen fest zur Seite. Wir sind und bleiben immer für Sie da #wennmalwasist.
Bleiben Sie gesund. Ihr Plan A-Team
Dr. Ingo Bott, Dr. Maximilian Kohlhof, Murat Denizli, Philippos Botsaris, Marvin Voß, Eva Koch, Nurgül Öztürk, Isabell Fritz, Leonard Baumann