Plan A im Arbeitsstrafrecht: EU führt europaweite Regeln zum Mindestlohn ein

Die Mitgliedsstaaten der EU und das Europaparlament haben kürzlich einheitliche Standards zur Überprüfung und Anpassung der Mindestlöhne beschlossen. Künftig sollen die gesetzlichen Mindestlöhne in den einzelnen Ländern nach einem einheitlichen Verfahren bestimmt, alle zwei Jahre aktualisiert und durchgesetzt werden. Auch wenn ein einheitlicher Mindestlohn in den EU-Staaten nicht eingeführt wird, könnte die neue Regelung vor allem in lohnkostenintensiven Branchen zu einem Anstieg der Personalkosten führen. Auch in Deutschland gibt es neue Entwicklungen: Während momentan ein Mindestlohn von € 9,82 pro Stunde gilt, stehen Erhöhungen im Juli auf € 10,45 und ab dem 1. Oktober auf € 12,00 bevor.

In Zukunft wird Deutschland damit nach Luxemburg das EU-Land mit dem höchsten Mindestlohn sein, wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts vom 07.02.2022 zeigt.

Hierdurch kann der Anreiz bei einzelnen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber  steigen, die gesetzlichen Vorgaben zur Zahlung des Mindestlohns und der Arbeitszeiterfassung zu umgehend. Warum das keine gute Idee ist, wie man Verstöße im eigenen Unternehmen verhindern kann und was zu tun ist, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, stellt dieser Beitrag dar.

Gesetzliche Grundlagen: Dokumentations- und Leistungspflichten

Verstöße gegen das Mindestlohngesetz stellen gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MiLoG Ordnungswidrigkeiten dar. Gleichzeitig begehen Arbeitgeber aber auch eine Straftat gemäß § 266a Abs. 1 StGB, denn sie führen dadurch auch zu geringe Sozialversicherungsbeiträge ab. Zwar gilt der Grundsatz, dass aufgrund desselben Sachverhaltes nicht doppelt bestraft werden darf. Jedoch hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 entschieden, dass es sich dabei um  zwei unterschiedliche Pflichtverstöße und Handlungen zulasten  verschiedener Gläubiger handelt, weshalb sowohl ein Bußgeld- als auch ein Strafverfahren durchgeführt werden können. Damit die Behörden leichter feststellen können, ob der Mindestlohn eingehalten wurde, statuiert § 17 Abs. 1 MiLoG zudem eine ebenfalls bußgeldbewehrte Pflicht, in bestimmten Branchen, etwa dem Baugewerbe, oder bei geringfügig beschäftigten Personen Arbeitszeitnachweise zu führen. Der Zoll kontrolliert die Einhaltung des Mindestlohngesetzes. Ein Verstoß liegt beispielsweise schon vor, wenn Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht für mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden.

Erhebliche Konsequenzen für Arbeitgeber: Bußgelder, Geld- und Freiheitsstrafen

Falls ein Arbeitgeber den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn unterschreitet, drohen also komplexe Ermittlungsverfahren verschiedener Behörden. Dabei leitet zum einen das Hauptzollamt  ein  Bußgeldverfahren  ein.  Wenn  das  verhängte  Bußgeld  die  Höhe  von € 200,00 übersteigt, erfolgt bereits eine Eintragung in das Gewerbezentralregister. Dies kann dazu führen, dass im Zweifelsfall z. B. gewerberechtliche Genehmigungen, Konzessionen oder Bewilligungen nicht erteilt werden. Beträgt das Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz € 2.500,00 oder mehr, kann das Unternehmen außerdem zeitweise von der Teilnahme an Ausschreibungen um öffentliche Aufträge ausgeschlossen werden. Bußgelder im sechsstelligen Bereich sind keine Ausnahme, die Höchstgrenze liegt gem. § 21 Abs. 3 MiLoG bei immerhin € 500.000,00.

Zum anderen leitet die zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Im Fall einer Verurteilung wegen einer Straftat gemäß § 266a Abs. 1 bis 3 StGB drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren.

Nur wenige Ausnahmen: Wer bekommt den Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn muss gemäß § 22 Abs. 1 MiLoG häufig auch an Praktikanten gezahlt werden. Ansonsten sind nur Minderjährige ohne Berufsabschluss, Langzeitarbeitslose und Ehrenamtliche ausgenommen.

Gefahren für Arbeitgeber: Was zählt eigentlich zum Mindestlohn?

Da es keine gesetzliche Regelung dazu gibt, welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können, kann es unter Umständen passieren, dass ein Arbeitgeber ungewollt gegen das Mindestlohngesetz verstößt. Trinkgelder, Sachbezüge oder Zuschläge für Nachtschichten können laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof und des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls nicht einbezogen werden.

Der Plan A im Arbeitsstrafrecht: Unklarheiten beseitigen, Verstöße verhindern

Zunächst ist es unerlässlich zu wissen, ob und in welchem Umfang das eigene Unternehmen überhaupt von den Vorgaben des Mindestlohngesetzes und gegebenenfalls anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften betroffen ist. Hierfür empfiehlt es sich frühzeitig eine Arbeits(straf-)rechtliche Beratung mit ins Boot zu nehmen. Zudem ist es, gerade in größeren Unternehmen, unerlässlich, die Mitarbeitenden etwa durch entsprechende Schulungen für das Thema zu sensibilisieren. So wird die genaue Erfassung der Arbeitszeiten oft zu sehr auf die leichte Schulter genommen und sträflich vernachlässigt. Durch die Einrichtung einer  Ombudsstelle kann sichergestellt werden, dass mögliche  Verletzungen  von arbeitsrechtlichen Vorschriften durch eine qualifizierte Kanzlei geprüft und abgestellt werden können – bevor die Behörden hiervon Wind bekommen.

Ermittlungsverfahren: Koordiniertes Handeln im Ernstfall

Sollte bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein, ist es wichtig, sich möglichst schnell einen Überblick über die erhobenen Vorwürfe zu verschaffen. Wegen der Komplexität der Verfahren, an denen regelmäßig verschiedene Behörden beteiligt sind, sollte man sich an eine auf das Arbeitsstrafrecht spezialisierte Kanzlei wenden. Oft ist ergänzend eine Zusammenarbeit mit Arbeitsrechtlern  angezeigt, etwa wenn es um  die Umstellung kritischer Verträge geht. Nach erfolgter Akteneinsicht kann im Anschluss eine individuelle Verteidigungsstrategie, welche die Besonderheiten der jeweiligen Branche berücksichtigt, erarbeitet werden.

Plan A – Kanzlei für Strafrecht berät Sie und Ihr Unternehmen gerne im  Hinblick  auf mögliche Risiken durch die aktuelle Entwicklung im Arbeitsstrafrecht. Wir unterstützen Sie auch als Ombudsstelle dabei, Risiken aufzudecken und zu verhindern und stehen Ihnen und Ihren Mitarbeiter:innen vertrauensvoll zur Seite.

Daneben sind wir selbstverständlich auch dann für Sie da, #wennmalwasist.

Autoren und Ansprechpartner:

  • Rechtsanwalt Dr. Joshua Christmann
  • Rechtsreferendarin Olivia Wissemann

DR. Joshua Christmann
RECHTSANWALT | ASSOCIATE

Plan A – Kanzlei für Strafrecht

Olivia Wissemann
Rechtsreferendarin

Plan A – Kanzlei für Strafrecht