Am 25.01.2022 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen eines menschenrechtswidrigen Umgangs mit dem Journalisten Deniz Yücel zu einer Entschädigungszahlung von € 13.300. Die Entscheidung ist wegweisend dafür, welche Rechte und Freiheiten Medien und Medienschaffende haben. Für Plan A – Kanzlei für Strafrecht ist sie nicht nur wichtig, weil wir Unternehmen und Privatpersonen aus dem Medienbereich vertreten. Die Plan A-Rechtsanwälte Dr. Ingo Bott und Jennifer Pinto dos Santos haben außerdem einen Lehrauftrag für Menschenrechte am Karlsruher Institut für Technologie, in den die neue Entscheidung direkt Eingang findet.
Presseberichterstattung als Straftat?
Der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel war ein Jahr lang (von Februar 2017 bis Februar 2018) im türkischen Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert. Als Verdachtsanknüpfung standen Terrorpropaganda und Volksverhetzung im Raum. Heftig umstritten war allerdings, ob es überhaupt tatsächliche Anhaltspunkte für diese (schweren) Vorwürfe gab. Erst nach einer langen diplomatischen Debatte zwischen Deutschland und der Türkei erlaubte diese Herrn Yücel die Ausreise. Zeitgleich erging die Anklage. Im Juli 2020 folgte eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren.
Medien und Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ordnete die Anordnung der Untersuchungshaft als unrechtmäßig ein. Es habe keine plausiblen Gründe gegeben, Herrn Yücel einer Straftat zu verdächtigen. Er stellte zudem fest, dass das Vorgehen der Türkei unter dem aktuellen Präsidenten die Menschenrechte des Journalisten auf Freiheit, Sicherheit und auf freie Meinungsäußerung verletzt habe.
Herr Yücel begrüßte die Entscheidung auf Twitter, merkte aber auch an: „Enttäuschend ist hingegen, dass der EGMR keinen Verstoß gegen das Folterverbot festgestellt hat“, obwohl er im Rahmen seiner Inhaftierung körperlichen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Auch habe das Gericht nicht die politische Motivation des Verfahrens festgestellt. Daher wolle er das noch nicht rechtskräftige Urteil anfechten.
Plan A: Prävention mit Augenmaß, Konsequenz in der Sache
Immer wieder stellen sich für Medien und Medienschaffende wichtige Abgrenzungsfragen, was wann wie über wen auf welcher Faktengrundlage berichtet werden soll und kann. Sowohl die Presse- als auch die Meinungsfreiheit streiten dabei deutlich dafür, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, auch Umstände und Sichtweise zu erfahren, die einer Behörde oder einem Staat unangenehm sein mögen.
Viele unserer Fälle spielen im Ausland. Es ist hier wichtig, Journalist:innen vorab ein juristisches Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, um Eskalationen wie im Fall Yücel idealerweise zu verhindern oder zumindest rasch zu lösen. Die aktuelle Entscheidung des EGMR ist in dieser Hinsicht ein echter Meilenstein. Gern stehen wir dazu für Rückfragen zur Verfügung.
Autor:
- Rechtsanwalt Dr. Ingo Bott
- Rechtsanwältin Jennifer Pinto dos Santos
DR. INGO BOTT
RECHTSANWALT / PARTNER
Plan A – Kanzlei für Strafrecht